Wissen was tatsächlich vor sich geht

Der weitaus größte Anteil der Dinge, die in uns vorgehen oder die wir im Außen tun, laufen von uns völlig unbemerkt ab. Viele Menschen empfinden das Unbewusste als bedrohlich, zumindest als unangenehm, weil es nicht direkt zugänglich und damit kontrollierbar ist. Dabei finden wir gerade in ihm unseren leistungsfähigsten und loyalsten Partner. Dieser sagt uns auch aufrichtig, womit wir es zu in uns zu tun haben, wenn wir nur wissen, wie man ihn richtig fragt. Dadurch können wir den Kampf gegen Windmühlen endlich hinter uns lassen.

Elegante Generalisierungen

Um uns in der Welt zurechtfinden zu können, generalisieren wir, was wir wahrnehmen. Das heißt, wir sieben den größten Teil der verfügbaren Informationen bis auf das für uns Wesentliche aus. Den Rest verwerfen wir. Nur so kann in uns ein Modell, die berühmte Landkarte unserer Welt entstehen. Nur mit dieser vereinfachten Landkarte können wir umgehen. Erst durch diese können wir uns zielgerichtet in der "Realität" bewegen. Der dabei ablaufende Filterprozess bleibt in aller Regel unbewusst.

Diese Generalisierungen nennt man neudeutsch Biases und sie sind schlicht Vorurteile. Vorurteile sind per se nichts Schlechtes. Dass unser Gesamtsystem so sehr auf Generalisierungen steht liegt daran, weil es damit unerhört große Mengen an wertvoller Energie einspart. Sich einer Sache bewusstwerden, ist energetisch gesehen ein sehr kostspieliger Vorgang. Solange ich mich mittels Vorurteilen effektiv auf mein Ziel zubewegen kann, obwohl diese die "Realität" nicht wirklich abbilden, ist mein Gesamtsystem wegen der eingesparten Energie trotzdem sehr happy. Unser System toleriert den einkalkulierten Fehler in Generalisierungen, solange dieser uns ans Ziel führt, niemandem weh tut oder diesen schädigt; uns selbst eingeschlossen. Daher kann es gerade dann sinnvoll sein, wenn wir nicht dort hinkommen, wo wir eigentlich hinwollten, uns der persönlichen automatischen Vorurteilsbildung bewusst zu werden.

Die Grenzen unserer Geschichten sprengen.

Weil wir sind, was wir uns erzählen. Denn die Bildung unserer inneren Welt findet über Sprache statt. Alles, was wir mit unseren Sinnesorganen erfassen, übersetzen wir innerlich in Sprache. Erst durch Sprache können wir die, von uns erlebten, Dinge und Ereignisse zueinander in Beziehung setzen. Durch diesen Vorgang des In-Beziehung-Setzens erhalten alle von uns wahrgenommenen Elemente den für uns einmaligen Sinn. Über einen meist unbewussten inneren Dialog erklären wir uns dabei permanent selbst, wie "die Welt" wirklich ist. Das sind die Geschichten, die wir uns selbst erzählen. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir eine Einzelperson sind oder eine Gruppe. Bei Gruppen wird einfach aus einer persönlichen Geschichte eine Familien- oder eine Teamgeschichte.

In allen Fällen versichert uns der Vorgang des Sich-Selbst-Erzählens auf einer sehr tiefliegenden Ebene, dass alles für uns in den gewohnten und erprobten Bahnen verläuft. Auf der bewussten Ebene fühlen wir uns dadurch in der "Welt" orientiert und sicher.

Mit unseren Geschichten legen wir subtil fest, was in unserer Welt "in Ordnung" ist und was nicht und worauf wir bei der Wahrnehmung der äußeren Welt, Wert legen. Wir legen damit automatisch auch fest, was wir überhaupt wahrnehmen können und wie wir mit der äußeren Welt interagieren. Dadurch erschaffen wir sehr konkret unsere äußere Welt, ganz ohne dass wir das großartig bemerken. Sobald wir unsere Geschichten jedoch bewusst kennen lernen, können wir beginnen Teile dieser Geschichten anders und neu zu erzählen. Anschließend schauen wir, was für eine Wirkung das auf uns hat. Vielleicht bringt das neue Saiten in uns zum Klingen, oder wir fühlen etwas, das bisher außerhalb unserer Reichweite war, in jedem Fall wächst dabei unser Bewusstsein. Wir können die Teile unserer Geschichten solange verändern und anpassen, bis uns das Ergebnis passt. Dadurch sprengen wir die Grenzen unserer Geschichten und wir verschieben damit die Grenzen unserer Welt. Diese wird größer, wir sehen weiter, fühlen reichhaltiger, hören mehr, werden uns bewusst.

Weil es auf den Standpunkt ankommt

Neue Perspektiven zu finden, fällt uns Menschen, verhältnismäßig leicht. Unser außerordentlich ausgeprägtes Abstraktionsvermögen leistet uns hier sehr gute Dienste. Wir können einfach durch Vorstellungskraft eine beliebige neue Position einnehmen. Selbst, wenn uns diese nicht gefallen sollte, können wir von ihr profitieren, weil wir zusätzliche Informationen erhalten. Zudem bedeutet eine Position einzunehmen nicht automatisch diese gut finden oder in dieser verbleiben zu müssen.

Bei der bewussten Arbeit an unseren Perspektiven werden uns auch jene unterschwelligen Reaktionsmuster sichtbar, die als unsere Wahrnehmungsfilter fungieren. Dadurch werden uns nicht nur diese Filter in der konkreten Interaktion und theoretisch bewusst, sondern dies erlaubt uns auch, gerade wenn es darauf ankommt, ebenso konkret zu entscheiden, ob wir diese zulassen wollen oder nicht. Somit liefert die Arbeit an unseren Perspektiven nicht nur mehr Informationen über die Welt draußen, sondern immer auch über jene in uns selbst und sie vergrößert damit in jedem Fall unseren Handlungsspielraum.